Städtebauliche Entwicklung

Ein berühmter japanischer Architekt (Pey) sagte einmal über Berlin: „Wenn die Häuser dort Worte wären, dann ergäben die Sätze keinen Sinn.“ Auf den ersten Blick scheint es auch mit der Potsdamer Straße so zu sein. Prachtvolle Gründerzeitbauten stehen hier neben funktionalen Nachkriegsbauten, Verwaltungsgebäude und Geschäfte neben Galerien, Restaurants neben Imbissbuden und dem türkischen Markt.

Ihre größte Zeit erlebte die Potsdamer Straße Ende der zwanziger Jahre, als am Potsdamer Platz die erste Verkehrsampel Europas stand. Es war eine Zeit, in der Berlin mit New York verglichen wurde und sich der merkantile Gründergeist mit modernem Geschäftssinn paarte, um sich in den Hochhäusern um den Potsdamer Platz zu materialisieren. Architekt Bruno Taut schrieb über diese Zeit : „Dieses hemmungslose Emporschießen hat mit einer Stadtbildung im eigentlichen Sinne nichts mehr zu schaffen; es türmt sich über Gewinnbetrieb und rein technischem Denken auf und imponiert allein durch die Welt der Hemmungslosigkeit und durch die Masse und ihre Vielfältigkeit“.

Das 1930 bezugsfertige Haus erhielt seinen Namen nach seinem ersten Mieter, der Verwaltung des Kathreiner Malzkaffee-Herstellers. Es hat 11.855 qm Bürofläche in Untergeschoss, Erdgeschoss und den 11 Obergeschossen. Der zwölfte Stock ist Technikräumen vorbehalten.

Der geheimnisvollste Mieter der Potsdamer Straße, der Berliner Verfassungsschutz, verließ das Gebäude 2008. Nach Nutzung als Berufsinformationszentrum und für Verwaltungszwecke durch die Berliner Polizei, steht es heute bis auf eine Etage, in der Lehrerweiterbildung des Senats stattfindet, leer. Spätestens Ende 2012 wollte der Senat das denkmalgeschützte Gebäude vollständig geräumt haben und zum Verkauf anbieten.

Da sich der Haupteingang des ersten in Stahlskelettbauweise errichteten Gebäudes im Stil Neuer Sachlichkeit nicht an der Potsdamer Straße sondern seitlich an den Kolonaden befindet, entsteht hier ein interessanter Kontrast zu den barocken Kolonaden des Architekten Carl Contard. Die 1780 erbauten Königskolonnaden standen zunächst 130 Jahre an der Königsbrücke am Alexanderplatz. 1910 wurden sie an die Potsdamer Straße in die Nähe des gerade entstehenden Kammergerichts umgesetzt.

1913 zog das Kammergericht vom Collegienhaus (heute Altbau des Jüdischen Museums) in den imposanten Neubau am Kleistpark, der von 1909 bis 1913 erbaut wurde. Hier wurden unter Vorsitz des berüchtigten Nazi-Richters Roland Freisler die Attentäter auf Hitler vom 20. Juli 1944 zum Tode verurteilt. Im geteilten Deutschland diente das Gebäude zunächst dem Alliierten Kontrollrat, der jedoch nach dem Auszug der Russen im März 1948 nicht mehr tagte. Im Gebäude verblieb die Alliierte Luftsicherheitszentrale. Neben dem Kriegsverbrechergefängnis Berlin-Spandau war sie die einzige Institution, in der die vier Mächte bis 1989 kontinuierlich kooperierten. Heute beherbergt das Gebäude wieder das Berliner Kammer- und Verfassungsgericht.

Zusammen mit dem angrenzenden Kleistpark ist es Teil des ehemaligen Botanischen Gartens, eines kleinen romantischen Parks, der im 17. Jahrhundert als Küchengarten für den Großen Kurfürsten Friedrich angelegt wurde. 1911 wurde der Botanische Garten nach Berlin-Dahlem verlagert und der kleine Park erhielt anlässlich des 100. Todestages von Heinrich von Kleist seinen heutigen Namen. Das 5,7 Hektar große Gelände, auf dem sich immer noch Teile des Baumbestandes aus dem Botanischen Garten finden, steht heute als Gartendenkmal unter Denkmalschutz.

Das 1880 an seinem Rand errichtete „Königlich Botanische Museum“ war einst eine bedeutende Forschungsstätte. Hier legte der Dichter und Botaniker Adelbert von Chamisso ein Herbarium an, Benno Wolf initiierte den staatlichen Naturschutz. Blickt man in der Eingangshalle des Hauses am Kleistpark an die Decke öffnet sich der Blick auf vergangene Schönheit. Über drei Stockwerke reicht der weiträumig geschwungene Treppenaufgang, der mit schmiedeeisernem Geländer und Säulen verziert ist.

Erst als „Hauptstelle für Erziehungs- und Schulwesen“ genutzt, beheimatete das Haus von 1967 bis 1975 die Volkshochschule des Bezirks Schöneberg, hinzu kam das Medienhaus der Universität der Künste, später die Leo-Kestenberg-Musikschule. Der im Krieg zerstörte Nord-Ostflügel wurde nie wieder errichtet.

Das Herzstück des denkmalgeschützten Gebäudes ist seit 1967 das Kunstamt Tempelhof-Schöneberg. In Räumen, die früher Teile von Chamissos Herbarium beherbergten, ist heute die Kommunale Galerie untergebracht.

Die Tatsache, dass der Hauptausschuss der Bezirksverordnetenversammlung das Haus am Kleistpark nicht in den Investitionsplan 2015 aufnahm und damit eine notwendige vollständige Sanierung nicht möglich ist, macht das Haus zur „gefährdeten Spezie.“

Hier am Kleistpark wie in der gesamten Potsdamer Straße begegnet man überall den Spätfolgen der Bombenabwürfe des Zweiten Weltkrieges. Kriegsbedingte Baulücken wurden in den ersten Nachkriegsjahrzehnten mit schnell hochgezogenen Zweckbauten, seien es Wohnhäuser, seien es Geschäftsbauten geschlossen.

Das Pallasseum dominiert die Kreuzung Potsdamer / Goeben / Pallasstrasse. In den 70er Jahren galt der nach Entwürfen des Architekten Jürgen Sawade errichtete Block mit seinen lichtdurchfluteten Räumen als Musterbeispiel modernen Wohnens. Das Zusammenleben der über 2000 Menschen aus mehr als 30 Nationen sorgte phasenweise für Konflikte, so dass Mitte der 90er Jahre sogar ein Abriss im Gespräch war. Durch das Engagement des Quartiersmanagement Schöneberg-Nord in Zusammenarbeit mit der Hausverwaltung und den BewohnerInnen konnte jedoch ein Wandel bewirkt werden.

Das Pallasseum überspannt nicht nur die Pallasstraße sondern auch einen vierstöckigen Hochbunker, der 1943 – 45 im Rohbau von Zwangsarbeitern errichtet wurde. 1986 – 1989 wurde er zur größten Zivilschutzanlage Berlins umgebaut. Seit 2002 wird der Bunker durch die benachbarte Sophie-Scholl-Schule als „Ort der Erinnerung“ betrieben. Heute steht er unter Denkmalschutz.

„Der Berliner hat im allgemeinen wenig Witterung für bahnbrechende neue Gedanken“ schrieb Hans Schliepmann in dem Artikel „Die Berliner Hochbahn als Kunstwerk“ der Berliner Architekturwelt von 1901. So brauchte der Unternehmer Werner Siemens 16 Jahre, um die Berliner Stadtväter davon zu überzeugen, wie die zunehmenden Verkehrsprobleme der Millionenstadt zu beheben seien. Als die Hochbahn im Februar 1902 eröffnet wurde, führte sie durch die Arbeiterviertel Kreuzberg und Schöneberg, denn für die Straße Unter den Linden erschien sie zu hässlich.

Als Entschädigung wurden die Hochbahnhöfe von namhaften Architekten gestaltet. Für den U-Bahnhof Bülowstraße erhielt Stararchitekt Bruno Möhring den Auftrag.
Seit 1972 standen in der durch den Mauerbau unterbrochenen Station U-Bahn Wagons, in denen Trödel feilgeboten wurde. Heute rumpeln und quietschen die Züge der U1 wieder von Ost nach West und der U-Bahnhof Bülowstraße ist heute ein beliebtes Fotomotiv.

Besonders lohnt sich der Blick in die Seitenstrassen und Hinterhöfe: denn neben den teils wunderbar restaurierten Fassaden längs der Potsdamer Straße verbirgt sich an den kleineren Straßen links und rechts der Verkehrsschlagader so manches Kleinod. Historische Bauten aus dem 19. Jahrhundert stehen hier neben moderner Architektur, Künstlerateliers finden ebenso einen Platz wie traditionelle Handwerksbetriebe und High-Tech-Firmen. So sind in den Straßenzügen und Gebäuden unvermutete Geschichten zu entdecken.

So gelangt man in der Genthiner Straße durch die Toreinfahrt eines modernen Gebäudes in den unter Denkmalschutz stehenden Begaswinkel. Die 1871 von Ernst Klingenberg erbaute Wohnhausgruppe besteht heute aus sechs von ehemals zehn Stadtvillen und ist U-förmig um einen Hof arrangiert. Damals wohnten hier u.a. der Kunsthistoriker und Schriftsteller Julius Meier-Graefe, die Opernsängerin Emmy Destin, der Maler Adalbert Begas und seine Frau, die Malerin Luise Begas von Parmentier. In ihren Salon lud sie die Kreativen der Zeit, wie die Tänzerin Isadora Duncan, den Kritiker Alfred Kerr, den Verleger Samuel Fischer und die Schauspielerin Tilla Durieux.

1911 ließ das Schweizer Brühwürfelunternehmen Maggi eine Fabrik mit drei Gewerbehöfen, Seitenflügel und Quergebäude in der Lützowstraße errichten. Diese Bauweise für Gewerbenutzung war derzeit in Berlin keine Seltenheit. Besonders gestaltet war allerdings die Werksteinfassade mit den vielen skulpturalen Details, die auch heute noch beeindrucken. Damals befand sich der Gebäudekomplex, der heute unter Denkmalsschutz steht, zwischen Wohnhäusern, schräg gegenüber einer Synagoge. Als eines von wenigen Häusern hat der Gewerbehof den zweiten Weltkrieg überlebt. Heute sind Medien- und Handwerksunternehmen auf dem ehemaligen Fabrikgelände untergebracht.

Grüne Oasen inmitten der Großstadt, auch das bietet das Gebiet rund um die Potsdamer Straße. Die Spannbreite reicht dabei von Spielpätzen bis zum Friedhof.

Versteckt zwischen Kurfürsten-, Dennewitz- und Bülowstraße liegt der Nelly-Sachs-Park, ein Kleinod mit Spielplatz, Rasenflächen, befestigten Gehwegen, zahlreichen Bänken und einem kleinen See, in den eine runde Plattform hineinragt, die sich über eine Brücke erreichen lässt. Durch den Park führt ein vier Meter breiter kombinierter Rad- und Gehweg, der bis nach Leipzig führt. Der Name der Anlage erinnert an die jüdische Dichterin Nelly Sachs, die in der MaaßenStraße 12 (Schöneberg) geboren wurde und 1940 aus Nazideutschland nach Schweden flüchten konnte.

„Der Friedhof lebt“, lautet der Name der Facebook-Seite des St. Matthäus-Kirchhof im Schöneberger Norden. Als vor 155 Jahren hier die erste Beisetzung stattfand, lag er noch vor den Toren Berlins und war im Besitz der St.-Matthäus-Kirche am Kulturforum. Die aufwändigen Grabmalgestaltungen und die Trauerhalle im Stil der italienischen Renaissances und des Barocks zeugen heute noch vom Wohlstand der damaligen Gemeinde.

In den Jahren 1938/39 wurden tausende Gräber für Albert Speers Germania Planungen eingeebnet oder auf den Südwestkirchhof in Stahnsdorf umgebettet. Erst in den 70er Jahren wurde der Wert des Friedhofs erkannt und das Landesdenkmalamt erklärte ihn zum Gartendenkmal. So ist er heute mit etwa 60 „Ehrengräbern“ (Gebrüder Grimm, Mediziner Virchow und Komponist Max Bruch) ein bedeutsames Archiv der Berliner Stadtgeschichte.

Seit 2001 gehört er zur Zwölf Apostel Kirchengemeinde und der 2006 gegründete Verein Efeu e.V. setzt hier besondere Akzente. Alte Grabmäler werden nun durch Patenschaften erhalten. Drei „Gärten der Sternenkinder“ ermöglichen die Bestattung von Kindern, die sterben bevor sie geboren werden, und von Babys, die bis zum 12. Lebensmonat verstorben sind.

Die Facebook-Seite bewirbt Friedhofsführungen und Jodelkonzerte, zeigt Fotos von Kunstinstallationen und Gräbern, erzählt von Projekten wie Kinder & Kirchhof, Kreuz und Queer. Die Nähe zum samstäglichen Crellemarkt und das Kirchhofcafé Finovo machen diesen Ort der Ruhe zu einem festen Bestandteil des nachbarschaftlichen Lebens.

So sehr die KiezbewohnerInnen auch die Zeugen der Vergangenheit schätzen und bewundern, so sehr engagieren sie sich auch dabei, sich die gegenwärtig stattfindenden großen Bauvorhaben durch Bürgerbeteiligung zu eigen zu machen. Neben einem Lichtkonzept, dass sieben der Brücken in der Yorckstraße in Zukunft erhellen sollen, gedeihen an der Kurfürstenstraße die Pläne für einen Wohnneubau mit Einzelhandelsgeschäften.

Nach fast 50 Jahre sträflicher Vernachlässigung entstehen zur Zeit in der Flottwellstraße circa 700 neue Wohneinheiten und mehr als 1.500 neue KiezbewohnerInnen in das Quartier Tiergarten-Süd bringen. Diese Steigerung um fast 20% und die hinzu kommenden Gewerbebauten mit Hotels, Büros und Handel treffen nicht nur auf freudige Erwartung sondern auch auf Angst, Misstrauen und Ablehnung.
Hier engagiert sich der Quartiersrat Magdeburger Platz und fragt „FlottwellStraße – wohin?“ Die in diesem Gremium arbeitenden Ehrenamtlichen möchten auf die Entwicklung des Stadtteils Einfluss nehmen, sie möchten die hier Wohnenden und auch die Neuankömmlinge frühzeitig einbeziehen, um gemeinsame Chancen zu nutzen und Fehlplanungen zu vermeiden. Der öffentliche Raum soll zum Verweilen einladen, die Verkehrsplanung auf die Bedürfnisse der FußgängerInnen und RadfahrerInnen Rücksicht nehmen und so viel Grün wie möglich erhalten bleiben.

Das mag überzogen erscheinen, ist doch direkt hinter der Flottwellstrasse, auf dem ehemaligen Areal des Anhalter- und Potsdamer Güterbahnhofs mit einer Gesamtfläche von 35 Hektar eine der größten öffentlichen Parkanlagen Berlins entstanden.

Im nördlichen Teil des sogenannten Westparks, der bereits auf Kreuzberger Gebiet liegt, ist der Park auf einen schmalen Streifen reduziert.

Weiter im Süden gibt es Möglichkeiten zum Joggen und Radfahren. Ein Kiosk am Parkeingang nahe der Kurfürstenstraße soll als Treffpunkt dienen. Für Kinder gibt es Spielplätze und ein Mehrzweckspielfeld. Das große Beachvolleyball-Areal ist ein beliebter Treffpunkt für Freizeitsport. Auf dem Dach des Hellweg-Baumarkts an der Yorckstraße wird Fußball gespielt.